Slow Motion für kleinere Budgets: Wieviel Licht benötigt man?
In Teil 1 zu diesem Blogpost haben wir uns mit der Frage beschäftigt, ob die maximale Framerate ausreicht um wirkungsvolle Bilder zu erzielen. In Teil 2 geht es darum abzuschätzen wie Slow Motion die Lichtsituation beeinflusst.
Selbst bei unserer Aufnahme mit nur 120 f/s haben wir schnell gemerkt wie uns das Licht „ausgeht“. Wir haben vor einem weißen Hintergrund gedreht und brauchten genug Licht, damit der weiße Stoff (mit allen Falten und Kanten) einheitlich und harmonisch wirkt.
Im Freien bei Tageslicht steht meistens genug Licht zur Verfügung. Im schlimmsten Fall muss man warten bis die Wolke vorbeigezogen ist. Dreht man indoor mit kontrollierten Lichtverhältnissen ist es wichtig, dass man ausreichend Licht am Set hat. Was genau heißt ausreichend Licht?
Mit etwas Dreherfahrung wisst ihr wieviel Licht eure Kamera unter Normalbedingungen benötigt. Normalbedingungen heißt hier: 25 f/s. (da viele Kameras 120 f/s als Slow Motion anbieten, haben wir oben in den Beispielen oft 24 f/s als Basis verwendet. Für die folgenden Überlegungen ist 25 f/s aber passender)
Damit das Bild möglichst natürlich aussieht, verwendet man meistens einen shutter angle von 180°. Obwohl professionelle Videokameras immer mit shutter angle arbeiten, nehmen wir der Einfachheit halber für die folgenden Erklärungen den shutter speed. Mit diesem lassen sich die Rechenbeispiele intuitiver nachvollziehen. Ein shutter angle von 180° ist äquivalent zu einem shutter speed von dem Kehrwehrt der doppelten Framerate. Bei 25 f/sec, entspricht ein shutter angle von 180° einem shutter speed von 1/50. Dies heißt 1 Frame wird 1/50 stel einer Sekunde dem Licht ausgesetzt. (für eine genaue Erklärung zum Thema shutter angle und shutter speed siehe hier.)
Wenn man über diesen Punkt mal etwas genauer nachdenkt, wird einem bewusst wieviel Licht Slow Motion schluckt. Bei einer Framerate von 1500 f/s (Phantom Kamera Niveau) wird jeder Frame nur 1/3000 stel einer Sekunde belichtet. Das sind 0,00033 Sekunden. Zum Vergleich bei 25 f/s, ist jeder Frame für 0,02 Sekunden (1/50 shutter speed) belichtet. D.h. unter normalen Bedingungen bekommt ein Frame das 60-fache an Licht. Spätestens jetzt dürfte jedem klar werden warum professionelle Slow Motion Drehs aufwendig und teuer sind. Man braucht viel kontrolliertes Licht und ein Studio im dem genug Storm zur Verfügung steht.
Gibt es nicht auch noch andere Möglichkeiten, bevor ich einen LKW von Licht anmiete?
Ja, wenn man bereit ist Kompromisse einzugehen. Hier ist es wichtig den Begriff „stops“ (deutsch: Lichtstärke?) zu verstehen.
Neben dem shutter speed habe ich ja noch die Blende und ISO als Stellschrauben. Dabei gilt folgendes: Eine Änderung des shutter speeds von 1/50 (25 f/s) auf 1/100 (50 f/s), bedeutet ich verliere Licht um den Faktor zwei (oder ich verliere Licht um einen Stop). Dies kann kompensiert werden durch eine Blendenöffnung um einen „Stop“ – z.B.: f/4 auf f/2.8. Je nach Optik kann so einiges an Licht gewonnen werden. Das Gleiche gilt für ISO Einstellungen. Wenn Ihr unter normalen Umständen mit ISO 800 dreht und dann die Framerate verdoppelt, so sollte mit ISO 1600 dieser eine Stop kompensiert werden. Sofern man es sich leisten kann künstlerische Aspekte (Tiefenunschärfe, native ISO (dynamic range), rauschen etc.) weniger stark zu priorisieren, geben ISO und Blende Möglichkeiten den Lichtverlust pro Frame auszugleichen. Folgende Tabelle visualisiert dies.
Die erste Spalte stellt eine fiktive Basis dar. Hier ist die Beleuchtung der Szene optimal. Jedes Mal wenn sich die Framerate verdoppelt, sinkt unser exposure value (EV) um 1. Dies kann entweder durch eine Blendenöffnung (Zeile 1) oder durch eine ISO-Erhöhung (Zeile 2) ausgeglichen werden. Welches von beiden man verwendet ist aus Belichtungstechnischer Sicht egal. Letztendlich muss in Summe der EV-Wert wieder null ergeben.
Soweit zur Theorie. Wir haben in einem Versuchsaufbau das Ganze mal getestet.
Durchlauf 1: Framerate
In dem ersten Durchlauf sieht man wie das Bild dunkler wird. Blende und ISO bleiben unverändert, während sich die Frames (und der Shutter Speed) erhöhen.
Durchlauf 2: Blende
Die Blende wird in zwei Schritten geöffnet, um den EV-Wertverlust durch die erhöhte Framerate auszugleichen. In der Theorie sollten die Lichtverhältnisse konstant bleiben.
Durchlauf 3: ISO-Wert
Die ISO Werte werden erhöht, um den EV-Wert konstant zu halten.
Das Video zeigt, Durchlauf 2 und 3 sind Beleuchtungstechnisch annähernd konstant. Theoretisch heißt das, wenn ihr eure Szene bei 25 f/s (1/50), ISO 800 und f/8 ausgeleuchtet bekommt, dann kann ein Video mit 400 f/s (1/800) (-4 Stops), mit ISO 3200 (+2) und f/4 (+2) gedreht werden ohne dass Ihr mehr Licht benötigt.
Soweit zur Theorie. In der Praxis gibt es natürlich viele Gründe warum Blende und ISO nicht beliebig verändert werden können. Hier muss dann eben mit entsprechend zusätzlichem Licht kalkulieren.
Wir hoffen, dass diese Überlegungen euch bei der Planung zukünftiger Slow Motion Drehs helfen.
(Wer noch tiefer in das Thema Licht einsteigen will dem empfehlen wir unseren Gastbeitrag.)